In den letzten Wochen wurden ausgehend vom Kreis Wesel vermehrt Fälle von Myxomatose bei Feldhasen gemeldet. Aktuell beobachten wir auch im gesamten Kreis Borken ein gesteigertes Aufkommen verendeter Feldhasen. Es konnten bereits mehrere Fälle von Myxomatose bei den eingeschickten Tieren aus dem Kreis Borken festgestellt werden (Stand 17.9.2024).
Insgesamt konnte durch aufmerksame Jäger vor Ort und die Einsendung verendeter Feldhasen in den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern (CVUÄ) schnell eine eindeutige Diagnose gestellt werden. Zudem wurde Bild- und Probenmaterial gesichert, um die Fälle hinreichend zu dokumentieren. Nach einem Aufruf der FJW über die zuständigen Behörden sowie den LJV trafen zudem weitere Meldungen aus immer mehr angrenzenden Kreisen ein: Neben dem Kreis Wesel waren nach wenigen Tagen bereits die Kreise Borken, Kleve, Krefeld und Bottrop betroffen – es folgten bestätigte Fälle aus Coesfeld, Viersen, Recklinghausen und Steinfurt (Stand 18.09.2024).
Die FJW ist derzeit gemeinsam mit den CVUÄ und dem Friedrich-Loeffler-Institut dabei weitere Diagnostik zu organisieren und einzuleiten, um dem Virus auf die Spur zu kommen: Ob es sich um eine neue Virusvariante handelt, die nun vermehrt den europäischen Feldhasen befällt, wird derzeit mit Hochdruck erforscht. Es gilt nun aktuell so viele Daten wie möglich zu sammeln, um Rückschlüsse auf den weiteren Verlauf des Geschehens ziehen zu können. Es ist jedoch bereits absehbar, dass die Krankheitsausbrüche sich weiterverbreiten werden (auch in den Osten NRWs und nach Niedersachsen) und dies vermutlich bis in den Oktober hinein. Da das Virus über blutsaugende Insekten übertragen wird, bleibt zu hoffen, dass die Mückensaison mit einer länger anhaltenden Kälteperiode ein sehr baldiges Ende findet. So hat sie unseren Wildtieren in diesem Sommer doch durch verschiedene Wildkrankheiten (z.B. Blauzungenkrankheit bei Muffelwild und Usutuvirus-Infektion bei Wildvögeln) schwer zugesetzt.
Um sich ein Bild vom weiteren Verlauf des Geschehens zu machen sowie die weitere Ausbreitung in der Feldhasenpopulation einzuschränken, bittet die FJW die Jägerschaft und zuständige Behörden weiterhin dringend um Mithilfe:
- Bitte sammeln und dokumentieren Sie als Revierinhaber verendete Feldhasen und melden Sie diese über die zuständige Behörde an die FJW (fjw@lanuv.nrw.de). Bitte achten Sie unbedingt auf Ihren Selbstschutz!
- Infos zur Einsendung verendeter Tiere für den Kreis Borken:
Im Rahmen der kostenlosen Fallwilduntersuchung können Revierinhaber verendete oder krank erlegte Feldhasen bei der CVUÄ Münster untersuchen lassen. Diese können nach vorheriger Rücksprache beim Veterinäramt des Kreises Borken (02861/681-3801) abgegeben werden. Vor Ort wird dann ein entsprechendes Formular ausgefüllt (Fundort, Kontaktdaten usw.).
Bitte achten Sie unbedingt darauf, dass das Fallwild auslaufsicher verpackt wird! Es sollte außerdem erst kürzlich verendet sein und nicht in einem schon weit fortgeschrittenen Verwesungsgrad abgegeben werden. - Übrige Feldhasen sollten aus der Umgebung geborgen und unschädlich beseitigt werden (bei mehreren Tieren über die Tierkörperbeseitigung (für den Kreis Borken die Firma Jean Schaap GmbH in Heek); bei einzelnen Tieren auslaufsicher verpackt in der Restmülltonne). Bitte die Tierkörper nicht in der Umwelt belassen/ nicht vergraben! Sie stellen eine Infektionsquelle für die übrigen Feldhasen dar und können beim Verbleib auf dem Acker/der Wiese zur Entstehung von Botulismus bei Nutztieren beitragen! Ebenso sollte mit Myxomatosefällen bei Wildkaninchen verfahren werden!
- Bitte melden Sie auftretende Fälle von Myxomatose bei Wildkaninchen im selben Gebiet und senden Sie auch hier Tierkörper zur Untersuchung an die CVUÄ ein.
Empfehlungen für die anstehende Treibjagdsaison:
Es wird empfohlen die Bejagung des Feldhasen-Bestandes entsprechend der Zählergebnisse und der aktuellen Bestandssituation anzupassen. In Regionen, in denen die Myxomatose nachgewiesen wurde, wird angeraten auf eine Bejagung zu verzichten, um der verbliebenen Feldhasenpopulation zu ermöglichen sich entsprechend zu erholen. Feldhasen in betroffenen Revieren, die es geschafft haben eine Infektion zu überstehen, verfügen damit sehr wahrscheinlich über entsprechende Antikörper gegen das kursierende Virus. Dies ermöglicht ihnen auf einen erneuten Myxomatose-Ausbruch mit einer gezielten Immunreaktion zu reagieren und somit nicht zu erkranken. Da das Virus über den Winter in den Überträgern und der Umwelt überdauern kann, ist jeder Feldhase mit einem „geschulten“ Immunsystem wichtig, um die Population für die kommenden Jahre zu sichern! Nur wenn die Feldhasen genug Zeit haben sich mit dem Virus auseinanderzusetzen, kann auf eine Resistenzentwicklung ähnlich zu der der Wildkaninchen gehofft werden.
Es wird nahe gelegt die Ergebnisse der Feldhasen-Zählung (Scheinwerfer-Taxation) im Herbst (sowie den kommenden Jahren) wie gewohnt an den Landesjagdverband zu melden. Nur so ist es möglich, die Populationsentwicklung des Feldhasen zu beobachten und die Bestände entsprechend nachhaltig zu bejagen.
In Revieren, in denen die Myxomatose kursiert, wird empfohlen auf die Hundearbeit zu verzichten um die Feldhasen nicht unnötig zu beunruhigen (Stress wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus). Ebenfalls wird empfohlen kein Schleppwild aus Gebieten mit Feldhasen-Myxomatose in andere Reviere zu bringen, da das Virus so in bisher nicht-betroffene Reviere eingeschleppt werden kann.
Was ist Myxomatose?
Vortrag “Myxomatose beim Feldhasen” von Dr. Luisa Fischer
Die Myxomatose wird durch das Myxomavirus (MYXV), einem Virus aus der Familie der Pockenviren hervorgerufen. Bei Wildkaninchen kommt es deutschlandweit immer wieder zu Myxomatose-Ausbrüchen mit Mortalitätsraten von bis zu 90 %. Dabei sind v.a. Populationen mit hohen Bestandsdichten und einer geringen Immunität betroffen. Übertragen wird das Virus durch Stechinsekten sowie Körperflüssigkeiten. Der Kaninchenfloh spielt bei Wildkaninchen die Hauptrolle als Überträger, aber auch Stechmücken übertragen den Erreger. Da im Jahresverlauf die Populationsdichte der Wildkaninchen im Spätsommer am höchsten ist und dann auch (klimatisch bedingt) die Hauptsaison der Stechinsekten ist, häufen sich die Myxomatose-Ausbrüche in unseren Breiten häufig im Monat August. Bislang galt die Erkrankung als kaninchenspezifisch und nur ganz sporadisch finden sich Nachweise von Myxomatose bei Feldhasen (Lepus europeus). Erste Fälle wurden in Frankreich und Irland in den 1950ern und zuletzt in Großbritannien 2014 beschrieben. Die infizierten Feldhasen zeigten dabei keine oder nur milde Krankheitsanzeichen. Im Jahr 2018 kam es jedoch zu schweren Ausbrüche in Spanien beim Iberischen Feldhasen (Lepus granatensis). Die Fälle wurden zwischen Juli und September 2018 gemeldet und die Krankheit breitete sich dann schnell in umliegende Gebiete aus. Die Mortalität bei den Iberischen Feldhasen lag bei ca. 55 %, während die dort ansässigen Wildkaninchen nicht betroffen waren. Durch aufwendige Forschung konnte eine neue Virusvariante des Myxomavirus (ha-MYXV) als Auslöser identifiziert
werden.
Als Überträger des neuen Virusstammes wurden Stechmücken vermutet, da z.T. große Distanzen zwischen den Ausbruchsorten festgestellt werden konnten. Die Erkrankung trat auch in den Folgejahren auf und verbreitete sich weiter. In einigen der betroffenen Gebiete gingen die Jagdstrecken des Feldhasen in den folgenden Jahren um bis zu 60 % zurück. In den letzten Wochen wurden im Raum Wesel vermehrt Fälle von Myxomatose bei Feldhasen beobachtet. Durch die Einsendung verendeter Individuen konnte in den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern (CVUÄ) eine eindeutige Diagnose gestellt werden. Zudem wurde Bild- und Probenmaterial gesichert, um die Fälle hinreichend zu dokumentieren. In Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung (FJW) soll in den kommenden Wochen weitere Diagnostik eingeleitet werden. Es handelt sich nach aktuellem Wissensstand um die ersten Nachweise der Erkrankung bei Feldhasen in Deutschland!
Quellen: Dr. Luisa Fischer (FJW) & Veterinäramt Kreis Borken